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„Ihr müsst endlich aufhören wegzusehen!“

Auf Einladung des Forums Eine Welt berichtete die palästinensische Autorin Faten Mukarker im nahezu voll besetzten Saal des evangelischen  Gemeindezentrums Daun über die aktuelle Situation  in den besetzten palästinensischen Gebieten. Der Vortrag über die alltägliche Gewalt in ihrer Heimat hinterließ beim Publikum  betroffenes Schweigen.

Faten Mukarker ist christlich-orthodoxe Palästinenserin. Geboren in Palästina und aufgewachsen in Deutschland, lebt sie seit 29 Jahren  mit ihrem Mann und vier Kindern in Beit Jala, einer Kleinstadt in der Nachbarschaft von Bethlehem.  „Das heilige Land hat seinem Namen keine Ehre gemacht – es geht dort sehr unheilig zu“, äußerte  die Buchautorin  („Leben zwischen Grenzen“) über die Situation in Palästina. Mukarker ist  derzeit eine gefragte Gesprächsteilnehmerin auf der Frankfurter Buchmesse .

Sie sei nach Deutschland gekommen, um auf die Situation in ihrer Heimat aufmerksam zu machen und die Deutschen zur Unterstützung aufzufordern. Es sei für eine Palästinenserin nicht leicht, die vielfachen Schikanen, Ausweiskontrollen und Umwege zu bewältigen,  um ins Ausland ausreisen zu können. Für die Strecke von etwa 100 km von Bethlehem nach Amman wechselte sie drei Autos und vier Busse innerhalb von neun Stunden, denn sie durfte nicht über Tel Aviv  ausreisen, sondern musste die Allenby-Brücke, den einzigen Übergang nach Jordanien benutzen.

Aus den Hoffnungen, die sich die Menschen der besetzten Gebiete nach dem Beginn des Osloer Friedensprozesses gemacht hätten, sei ein Alptraum geworden. „Die israelischen Soldaten – oft noch nicht einmal 20 Jahre alt - sind Herren über Leben und Tod“, sagte die Palästinenserin. Noch gefährlicher als die Armee seien die aus den USA eingewanderten jüdischen Siedler, die voller Verachtung auf die einheimischen Palästinenser herabsähen und ohne Bedenken ihre Waffen einsetzten. „Wir sind nur Menschen zweiter Klasse“, sagte Mukarker. „Ein Menschenleben hat bei uns keinen Wert, während bei euch in Deutschland sogar die Tiere eigene Rechte haben.“ Wenn ein jüdischer Siedler einen Palästinenser erschieße, werde er verhört und könne dann meist wieder gehen. Ebenso ungerecht sei die Verteilung des knappen Wassers. Der Palästinensischen Autonomiebehörde sei es verboten, auf ihrem Territorium Grundwasserbrunnen zu bohren. Statt dessen müssten die Palästinenser das Wasser teuer in Israel kaufen. „Wissen Sie, wie das ist, wenn man kein Wasser im Haus hat, und die Kinder haben Durst, während wir von unseren Häusern aus auf die stets gefüllten Swimmingpools und üppig grünen Gärten der israelischen Siedlungen blicken?“, fragte Mukarker ins Plenum.

Eindringlich schilderte sie die Ereignisse seit dem Jahre 2000, dem Beginn der Al-Aqsa-Intifada, und der Besetzung durch die israelische Armee; sie berichtete  von der Angst, als sie und ihre Familienangehörigen über Monate hinweg jede Nacht auf dem Boden lagen, um Schutz zu suchen vor Maschinengewehrsalven und Raketenangriffen -  ohne Bunker oder Keller, in die sie sich hätten flüchten können.

Seit vier Jahren sind die Menschen in Bethlehem und Umgebung immer wieder von Ausgangssperren betroffen. Tage- und wochenlang sind Großfamilien auf engstem Wohnraum zusammengepfercht, Kinder können nicht an die frische Luft. Die Männer fühlen sich gedemütigt, weil sie keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen und ihre Familie nicht mehr versorgen können, erzählte Mukarker: „Alle müssen büßen für etwas, was einige wenige getan haben.“ Ausdrücklich betonte Frau Mukarker, dass sie die von islamistischen Fanatikern verübten Selbstmordattentate verurteilte, weil sie Unschuldige träfen und blutige Vergeltungsschläge der Israelis provozierten.

Faten Mukarker berichtete von einem mittlerweile zehn Jahre andauernden Friedensprozess“, der bisher nur Krieg und Blutvergießen gebracht habe, und dem ständigen Kreislauf von Gewalt, Gegengewalt, Hass und Rache, der kein Ende nehmen will. Ergebnis der Besatzungs- und Siedlungspolitik des israelischen Staates seien „Wut, Enttäuschung und Frust“ auf Seiten der Palästinenser. „Nicht zu hassen wird einem in unserem Land nicht leicht gemacht“, resümierte Mukarker.

Die palästinensische Friedenskämpferin kritisierte das mangelnde Interesse der Europäer am Schicksal der Palästinenser. Mit den westlichen Medien ging sie hart ins Gericht. Sie verurteilte die einseitige Berichterstattung von Fernsehen und Zeitungen, die die Palästinenser immer als extremistisch bezeichnen würden, die vorausgegangenen Provokationen der israelischen Seite aber ignorierten oder verharmlosten. "Es gibt kein Heute ohne gestern", war ihre These.  "Trotz allem darf man nicht pauschal von ‚den Israelis' oder ‚den Palästinensern' sprechen", sagte Mukarker ". Auf beiden Seiten stehen auch Menschen, die in Frieden miteinander leben wollen".

Am Ende stand natürlich die Frage, was wir alle tun könnten, um zu einer gerechten Lösung des Konflikts beizutragen. Die Weltöffentlichkeit und insbesondere die Deutschen sollten - gerade wegen des Völkermords an den Juden -  endlich wach werden und aufhören wegzusehen. Sie sollten auch an der israelischen Regierung Kritik üben und das Recht der Palästinenser erkennen, in Freiheit und Würde zu leben, antwortete Faten Mukarker. Kritiklosigkeit helfe niemandem. Einzig eine politische Lösung könne auf Dauer der gesamten Region den Frieden bringen.