FORUM EINE WELT

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Anstöße zu einer neuen Nahostpolitik

Veranstaltung des Forums Eine Welt mit dem Nahostexperten Dr. Abdul Husseini

Kurzsichtigkeit und Konzeptionslosigkeit wirft Dr. Abdul Husseini der westlichen Nahostpolitik vor. In einem Vortrag, den er auf Einladung des Forums Eine Welt vor einem interessierten Publikum hielt, forderte der in Prüm lebende und aus Presse und Fernsehen bekannte  Nahostexperte  die EU-Staaten und insbesondere die Bundesrepublik auf, endlich eine auf Frieden und Stabilität gerichtete Politik gegenüber dieser Region in unmittelbarere Nachbarschaft Europas zu betreiben.

Die unter Präsident George W. Bush konzipierte amerikanische Politik eines „Neuen Nahen Osten“ der Demokratie und des Freihandels sei gescheitert; nun stehe man vor einem Scherbenhaufen:  Zerfall der staatlichen Einheit des Irak, Bürgerkrieg in Syrien, Destabilisierung des Libanon, Chaos in Libyen und –nach dem jüngsten Gazakrieg - eine völlig ausweglose Situation im israelisch-palästinensischen Konflikt.  Das  nach dem Abzug der USA aus dem Irak entstandene Machtvakuum und die Rivalität zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien um Vorherrschaft im Nahen Osten seien Ursachen für den raschen Aufstieg der Terrormilizen des Islamischen Staats. Der IS sei ein Sammelbecken für Dschihadisten aus aller Welt, ohne klare Ideologie und nur auf Gewalt orientiert. Früher oder später werde dieses „Kalifat“ zerfallen.

Da sowohl die USA als auch Russland viel von  ihrem einst überragenden Einfluss in der Region eingebüßt hätten, müsse Europa  – aus eigenem Interesse, aber auch, weil es aus historischen Gründen dazu verpflichtet sei – eine größere Verantwortung bei der Suche nach einer politischen Lösung der Probleme des Nahen Ostens übernehmen: Schließlich habe die kolonialistische Politik Englands und Frankreichs nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall des Osmanischen Reiches viele der heutigen Konflikte verursacht, indem sie ohne Berücksichtigung der nationalen und religiösen Gegebenheiten willkürliche Grenzen zogen.

Zu den Opfern dieser kolonialistischen Politik nach dem Ersten Weltkrieg zählten unter anderen die Kurden, deren Hoffnung auf einen eigenen Staat zerstört wurde. Eine gerechte Lösung der Kurdenfrage könne aber nicht durch Gewalt, sondern nur im Rahmen einer politisch ausgehandelten Friedensordnung für den Nahen Osten erreicht werden. Angesichts dieses ungelösten Konflikts  trage die selektive deutsche Bewaffnung der Kurden im Kampf gegen den IS dazu bei, den Verfallsprozess des irakischen Staates und seine Teilung zu beschleunigen. Sie sei eine faktische Anerkennung der Bestrebungen der Kurden nach totaler Unabhängigkeit von Bagdad.

Die Begründung der Waffenlieferungen ausschließlich aus der Notwendigkeit des Schutzes der durch die Dschihadisten bedrängten Christen und Jesiden halte einer kritischen Überprüfung nicht stand. In Wirklichkeit gehe es um die Verteidigung wirtschaftlicher und strategischer Interessen des Westens und vor allem  er USA im irakischen Kurdistan.

Auch die Schaffung des jüdischen Staates sei im Wesentlichen das Produkt politisch-strategischer Interessen Englands nach dem Ersten Weltkrieg. Es sei richtig, dass das demokratische Deutschland die Lehren aus dem Holocaust gezogen habe und eine besondere Verantwortung für seine jüdischen Opfer trage. Dies verpflichte alle Menschen, auch die Araber, gegen jede Form vom Antisemitismus, Rassismus und Unrecht zu kämpfen.

Was man jedoch an der deutschen Israelpolitik besonders im vergangenen Jahrzehnt kritisieren müsse, seien Einseitigkeit und Ungerechtigkeit gegenüber den Palästinensern. Zwischen dem idealisierten Israel in den deutschen Köpfen und dem real existierenden israelischen Staat gebe es einen großen Unterschied. Israel verfolge eine expansive Politik, die auf militärische Überlegenheit und Stärke in seinem Verhältnis zu den Palästinensern und zu seinen arabischen Nachbarn setzt. Die Rechtfertigung der proisraelischen Politik mit einer Bedrohung des Existenzrechts Israels durch die arabischen Länder sei schon lange überholt. Israel sei nicht nur die stärkste militärische, sondern auch die einzige atomare Macht in der Region. Die eklatanten Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Besatzungsmacht würden heruntergespielt und uneingeschränkt akzeptiert.

Sowohl die deutsche Politik als auch die Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen, übernähmen ohne Einschränkung die israelische Sicht. Im Endeffekt diene die deutsche Parteinahme für Israel weder dem Frieden noch der politischen Stabilität in der Region. Israel müsse von der internationalen Gemeinschaft gezwungen werden, Beschlüsse der UNO zu beachten und die Entstehung eines palästinensischen Staates im Rahmen eines gerechten Friedens zu akzeptieren.

www.eifelzeitung.de, 22. 10. 2014

Fotos
 
 
 
 
 
 
Fotos: K. Heller